nacht hat sich blass ans fenster geschlagen schon sprechen sie katzisch dort auf der mauer zwischen basar und moschee ihr miau und miau ist falsch transkribiert / uns fehlt ein vokal neben verschiedensten zeichen für zischen sie sprechen vom halbmond über der stadt vom ersten stern nach dem rötlichen glühen des abends / vom schweigen der vögel und dass am anderen ende der nacht ein noch röterer morgen wartet wenn die vögel wieder erwachen
groß und rot
sollten eines tages die künftigen meine knochen aus trümmern heben und mir das leben aus dem mark schaben all den zu stark gezuckerten kaffee von den zähnen lesen das nikotin den wein das schwarz gegrillte fleisch sie würden mir wollten sie mich wieder beleben als wer weiß welch halb menschlich halb technisches wesen aus gründen der effizienz einen großen und roten selbstzerstörungsknopf geben und sie hätten nicht mal geahnt was es heißt mit diesem körper zu lieben mit diesem kreiselnden geist verewigt im innern der schädeldecke die schleifspur der neuronenströme und dort an den rippen die splitter des zitternden herzens das zu heftig schlägt groß und rot
Mehr als Heimat
Ich weiß nicht mehr, an welchem Punkt der Abend zur Party umschlug. Anfangs saßen nur mein Mitbewohner und ich in der Wohnküche. Wir hatten keinen echten Plan für die Nacht. Könnten raus, mussten nicht … Bier vorhanden. Dann Männergespräch. Es ging um seine Freundin, und wie weit die doch weg sei, und dass es sich auch so anfühle, „aber Friedrich, du kennst mich. Ich bin so treu, ich nehm andere Frauen gar nich mehr wahr … Ich rempel die auf der Straße an und sag: Ey, pass mal auf wo du hinläufst!“
Eigentlich heiße ich Frederik. Ich habe vergessen, wann er mich das letzte mal so genannt hat. Wahrscheinlich bei etwas Ernstem. Wenn er sich Sorgen um mich macht, weil ich niemanden mehr habe. Schon lang nicht. Dann sagt er „Frederik, Liebe ist mehr als Heimat. Die Frau, die man liebt, ist die ganze Welt.“ Aber die Zeiten, wo ich wusste, was er meint, sind vorbei.
Jemand klingelt mitten ins zweite Bier. In der Gegensprechanlage ein Kalauer; im Hausflur Hallen, Stampfen, Singen. „Wir sind die Leute, die / kommen, um vorbeizuschauen / um eben mal Hallo zu sagen / und irgendwann mal loszustarten.“ Ich kenne die Stimmen. Dann stehen die beiden Riesen in der Tür. Zwischen sich ein Mädchen, das ich noch nie gesehen habe. Sie wirkt wie Porzellan im Elefantenladen. Der Moment dauert. Sie steht da im grünen Wollpullover, eingezwängt zwischen schroffen Bergen, still unter dem lauten Grollen von Männerlachen. Ihr Gesicht ist Sonne über einem lichtdurchfluteten Tal. Der Moment dauert immer noch, und davor hab ich blond nicht gemocht. Oder blassblaue Augen. Zurückhaltung, Zierlichkeit, hab ich alles nicht gemocht, vor diesem Moment, der dauert, bis sie leise „Hi“ sagt. Ich: „Auch Hi“ und denke, Junge, was besseres fällt dir nicht ein? Das denk ich ständig, während wir miteinander sprechen. „Maia.“ „Schöner Name. Und was machst du so?“ Was besseres fällt dir nicht ein? „Studieren.“ „Klingt ja spannend. Welches Fach denn?“ Was besseres fällt dir nicht ein? „Geographie.“ „Ich hab nen Globus in meinem Zimmer.“ Mir fällt nichts besseres ein.
Um uns rum immer mehr Leute. Ich weiß nicht, wo die herkommen. Aus der Nacht vor den Fenstern. Sie schwirren herein. Aber Maia und ich, wir bauen eine einsilbige Kuppel, einen Dom aus Gespräch, in dem jedes Wort hallt. Sie mag Landkarten, sagt sie, weil darauf keine Wolken sind-ind-ind und alles könne man sehen, fein sauber beschriftet und so friedlich-lich. Das Meer sei nicht tief und nichts verberge sich dort-ort-ort. Ich sage, ich will nach Hawai-i. Um uns rum wird es lauter, wir leiser, vertrauter. Inzwischen sind andere Frauen gekommen. Ich nehme sie wahr, was ein wenig schmerzt. Da ist die, der ich mal gesagt hatte, ihretwegen sei mir klar, dass ich mich wieder verlieben kann. Eine Lüge vor mehr als einem Jahr. Sie dringt mit ihrer Umarmung in unsere Kuppel. Als sie sich von mir löst, ist Maia im Getümmel verschwunden. Ich finde sie nach kurzer Zeit, die mir lang vorkommt, sitzend auf Parkett unter einer Topfpflanze. In der Ecke des Wohnzimmers ist der Lärm aus der Küche nur Ahnung. Ich setze mich neben sie. Wir rauchen. Aschen ab in die Erde. Sitzen weiter da. Schauen uns an. Irgendwann schweigt sogar die Stimme in meinem Kopf, die sagt, du stellst dich blöd an. Und endlich kann ich sagen, „als du eben weg warst, fühlte sich das weit weg an.“ Sie kann sagen, dass wir uns gar nicht kennen. Es wird zum noch-nicht-kennen. Es wird zum kaum-kennen. Ich sage, du magst Landkarten, weil sie nicht echt sind. Ob ich es denn sei, fragt sie. Darauf weiß ich keine Antwort. Und als immer mehr Menschen kommen, das Wohnzimmer fluten, fliehen wir ins Bad, mit einer Gitarre, weil ich meine, etwas zu brauchen, das auf dem Rand der Wanne noch zwischen uns ist. Meine Finger korrodieren an den Saiten. Es sieht aus wie grünbrauner Schlick.
Ich weiß nicht mehr, wie es dazu kam, dass ich ihr Haar wusch, oder warum sie sagte, Liebe sei ein Sprung über einen Abgrund. Noch weniger weiß ich, wie wir in meinem Zimmer landeten, wo meine Zärtlichkeit die Angst war, sie kaputt zu machen. Am Morgen im Halbschlaf weiß ich nur, sie ist gerade gegangen. Das Klicken der Wohnungstür hat mich geweckt, weil es so leise war wie sie. Mein Globus glänzt, als habe ihn jemand befeuchtet. Über dem Pazifik kleben gepuderte Wolken. Ihr Abschiedsgruß, denke ich. Will mit dem Zeigefinger testen, ob es Zucker ist, aber gleite durch einen kleinen Widerstand, durch kühle Luft, hinein in den Ozean, fingerknöcheltief. Meine Hand zuckt zurück. Ich starre das Sediment auf meiner Fingerkuppe an. Erst jetzt geht mir auf, dass der Globus nicht beschriftet ist, und eine Welle überrollt die Küsten bis tief ins Hinterland. Ich springe aus dem Bett und stürze Maia hinterher.
mond und see
Es herrscht Sturm auf See, darunter ist es still. Und Europa fern. Ein Mond um Jupiter, nackt und bitterkalt. Die See: wie ein Regime. Unter einer Schicht aus Haut, schwarz und fremd, ein Ozean der Nacht. Er färbt sich weiß, wenn Atem, der von Hunderten, die Wellen kämmt. Der Nebel lichtet sich mit jedem Mund, der untergeht. Es ist kein Land in Sicht. Die Grenzen fließend, weit: wie Hoffnung trägt. Ein Fischer fischt. Vielleicht.
abendemorgende (XII)
abendemorgende (XII) außen/innen manchmal kann ich außen und innen nicht voneinander unterscheiden das sind dann meistens die regentage hinter halbfeuchten fenstern ein unregelmäßiges trommeln
abendemorgende (XI)
abendemorgende (XI) ordnung es war heller zur unzeit sind wir uns entflohen zwischen dir und im unraum voll verquollenem (morgen) (begegnet) (mir) (schweigen) der durchsichtigen grenze wo nichts im weiß erinnert an all das schöne, neue (dahinter) (lauert) (aufgegebene) (ordnung)
abendemorgende (X)
abendemorgende (X) wannendusche immer wenn ich in die badewanne steige um zu duschen (meine wohnung ist groß, deshalb leer) trage ich staub unter den füßen ins weiß und der erste schwall wasser wäscht die flusen in den abfluss erst dann hänge ich den silbrigen kopf an die halterung (mittlerweile ist das wasser zu heiß oder noch nicht heiß genug) und ich stelle mich unter das wasser, das an mir herabfließt, sauber und klar, dann frage ich mich warum mein körper so rein ist die hinterlassenen fußspuren aber so dreckig
abendemorgende (IX)
abendemorgende (IX) vorhöfe die schwester meiner exfrau heißt alexandra kurz alex (ihre brüste haben die form umgestülpter trichter und warzenvorhöfe schockierender größe) meine tochter nannte sie immer „dante alig“ und ich bin dankbar dass bea in meinen erinnerungen ewig ein kind bleibt
abendemorgende (VIII)
abendemorgende (VIII) derartist wieder ein abend der zu bunt oder trist war das gute der wein ändert beides das schlechte der wein ändert beides ins gegenteil ein stetiges schwanken vielleicht gibt es einen anderen zustand als den zwischen weinen und lachen wer kann schon auf einer so hauchfeinen linie die balance halten vielleicht gibt es am ende des seils ein kreisrundes plateau in dessen mitte der blick versperrt ist nach unten versperrt ist auf sandböden vielleicht öffnet sich dann der blick nach oben öffnet sich das eng zulaufende zelt
abendemorgende (VII)
abendemorgende (VII) reflexionen manchmal rede ich mir ein manchmal müsstest du konjunktive wie müsstest aus texten verbannen aber so leicht ist es gar nicht doch wem sage ich das dein abusus stilistischer mittel kotzt mich an. wir übergeben uns gemeinsam dem unbewussten wo es schwer wird metrum und reim zu vermeiden hier herrscht sinn wie irrsinn wie abendemorgendeabendemorgende wenn ich mich selbst kommentiere bin ich nichts weiter als material zum text